Dietrich
Kruck
Architekten
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Museum Inatura,
Dornbirn (AT)

Dietrich Kruck Architekten

Erhalt Versus Transformation

Die Dornbirner Rüschwerke waren von der Siedlungsentwicklung längst eingeschlossen, als der schwerindustrielle Betrieb stillgelegt wurde. Eine Reduktion auf die wesentlichen Gebäudetrakte und deren sorgsame bauliche Herrichtung für die Zwecke des regionalen naturgeschichtlichen Museums Inatura verlieh der Anlage, die von einem neu gestalteten Stadtpark umgeben ist, eine attraktive, doppeldeutige Anmutung. Die innere Gestaltung nutzt die großen Räume, ist aber auf mehreren Ebenen eigenständig organisiert.

Die Architektur frühhistoristischer Industriebauten ist in der Regel einem spröden, doch wohlproportionierten und daher ansprechenden Klassizismus verpflichtet. Zusammen mit den das Normalmaß sprengenden Größenordnungen der Baukörper führt dies nach Entfernung all der kleinen An- und Umbauten, wie sie jede ältere Fabrikanlage aufweist, im weiträumigen Grün des neu gestalteten Parks zu einem Eindruck zeitloser Erhabenheit, vergleichbar jener mancher jahrhundertealter Klöster, obwohl es sich um »Zweckbauten« handelt.

Dietrich Kruck Architekten
Dietrich Kruck Architekten

Die parallelen Trakte der ehemaligen Dreherei und der Montagehalle (genutzt für zeitgenössische Kunstaktivitäten) und der vordere Flügel der winkelförmigen früheren Gießerei fassen einen großzügigen Hof, der die städtebauliche Figur eines herrschaftlichen Ehrenhofs nachzeichnet. Die Schlossmetapher wird jedoch gebrochen, indem der Eingang nicht in der Symmetrieachse, sondern im Gebäude zur Rechten (ehemalige Dreherei), dort allerdings in der Mitte erfolgt. Damit wird der Hofraum vom Typus eines Aufmarschraums zu einem Ort des Aufenthalts beruhigt. Die Gebäude selbst sind, soweit nicht in noch sichtbarem Naturstein gemauert, einfach grau verputzt.

Ein für den inneren Ablauf sinnvoller Verbindungsbau und drei neue Annexbauten kleinerer Dimension ergänzen den Komplex. Ersterer enthält den Vorführsaal und verbindet Eingangstrakt und Winkelbau im Obergeschoss, luftig aufgestelzt auf einer Betonscheibe. Verkleidet mit vorgerosteten Stahlplatten kontrastiert er klar zum Bestand und erinnert zugleich an die frühere Nutzung. Auch die Hülle des zweiten Zubaus, an der Stirnseite der ehemaligen Dreherei angefügt, zeigt das gleiche Material. Er enthält ein Biomasseheizwerk, das die Museumsgebäude und weitere städtische Bauten der Umgebung versorgt. Die beiden anderen neuen Baukörper besetzen den rückseitigen Hof, den der Winkelbau der ehemaligen Gießerei aufspannt. Hier befinden sich Büros sowie Ausstellungsflächen. Locker sind sie über einen Gang an die alten Hallentrakte gekoppelt. Ihre Autonomie betont je ein verglastes Erdgeschoss, das vorkragende Obergeschoss, allseitig mit einer textilen Abschirmung (Screens) bespannt, wirkt geschlossen, obwohl diese von innen transparent sind. Das aufgedruckte Muster – stark vergrößerte Aufnahmen von Rost auf Edelstahl – dialogisiert subtil und verschmilzt zugleich mit den Stahlplatten.

Aus dem rahmend angelegten Schotterfeld der Hoffläche ist mittlerweile eine üppige Pioniervegetation aufgeschossen. Das Innere der Dreherei enthält noch die alte Kranbahn in genieteter Konstruktion, die als Zeuge historischen Stahlbauhandwerks zum Ausstellungsobjekt wird und den Raum und dessen umlaufende Galerie mit ihrer Präsenz enorm aufwertet. In dieser profanen Basilika des 19. Jahrhunderts sind die von Hermann Kaufmann und Christian Lenz gestaltete Kasse, das Café und der Museumsshop in einem großzügigen Foyer versammelt.

Die Galerie dient bereits als (Sonder-)Ausstellungsfläche, in den Geschossen darüber liegen die Studienbibliothek und die Verwaltung. Der Rundgang beginnt im Obergeschoss mit einem Verbindungsgang am Vorführsaal vorbei zu den ehemaligen Hochöfen, die als industriegeschichtliches Denkmal erhalten wurden. Die beiden im Winkel zueinanderstehenden Gießereihallen wurden hingegen komplett ausgeräumt und ins Untergeschoss erweitert. Auf und unter frei im Raum stehenden Plattformen werden hier vielfältige Inhalte mit zahlreichen Objekten in wechselnden Raumkonfigurationen ansprechend präsentiert.

Hinter dieser optischen Dichte tritt die bauliche Hülle zurück. Der ausführliche Rundgang wechselt von den Plattformen in die Untergeschosse und am Ende über eine Treppe wieder ins Foyer, wo die Sitzplätze des Cafés locken. Der in mehrere räumliche und thematische Zonen gegliederte, von Rotzler Krebs gestaltete Stadtpark, der die Anlage einfasst, verfügt über einen hohen Naherholungswert und wird entsprechend gern angenommen.

Dietrich Kruck Architekten
Dietrich Kruck Architekten

Auftraggeber: F.M. Hämmerle Holding AG
Standort: A-6850 Dornbirn
Bauzeit: 1997-2003

Architektur: Dietrich Untertrifaller Architekten
Entwurf: Helmut Dietrich, Much Untertrifaller
Team: Stefan Hiebeler und Thomas Weber (Projektleitung), Marina Hämmerle

Projektbeteiligte:
Statik: Gruppe Bau Dornbirn GBD

Fotos: Bruno Klomfar
Text: Walter Zschokke