Dietrich
Kruck
Architekten
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Festspielhaus,
Bregenz (AT)

Dietrich Kruck Architekten
Dietrich Kruck Architekten
Bestand

Hart am Ufer der Bregenzer Bucht gelegen, dient das in mehreren Etappen erneuerte und stark erweiterte Festspielgebäude als leistungsfähiges Mehrspartenhaus sowie als Veranstaltungs- und Kongresszentrum. Architektonisch von höchster Qualität, präzisiert das Bauwerk die Stelle am See und schafft mit seinen vier stark plastisch gestalteten Ansichten einen unverwechselbaren Ort. Zugleich wertet es die Fläche an der Eingangsseite zu einem Platz mit urbanem Flair auf.

Dietrich Kruck Architekten

Die Erweiterung und Transformation des eher verschlossen wirkenden Gebäudes von 1979 in eine vielgestaltige, einladende Anlage gehorcht nicht etwa formalistischer Spielerei, sondern durchdachter Entflechtung scheinbar unlösbarer betrieblicher Problemknoten. Den Befreiungsschlag brachte das lange, hoch aufgestelzte, zweigeschossige Trägerbauwerk mit Büros für Verwaltung und Produktion. So konnten darunter wichtige, großräumige Querverbindungen gewahrt oder neu geschaffen werden. Als signifikantes Zeichen mit Fernwirkung bietet es eindrückliche Ausblicke auf den Bregenzer Hausberg und den Bodensee.

Auf das eine ausgreifende Großelement antwortet ein zweites langes Prisma ähnlicher Dimension, das zwischen Seetribüne und Großem Saal durchgesteckt scheint. Platzseitig kragt es frei über den Haupteingang hinaus und enthält den prominenten Propter-Homines-Saal mit gläserner Stirnwand. Im anderen Ende befindet sich das Seefoyer, dessen großzügiger Ausblick durch eine breite Glasfront dem Raum den Namen gab. Zwischen diesen räumlichen Polen befindet sich das mehrgliedrige Foyer, das enorme Besucherzahlen zu bewältigen vermag. Die beiden auffälligen, überdimensional stabförmigen Gebäudeelemente gliedern die ausgedehnte Anlage in drei Hauptabschnitte: Studio- und Werkstattbühnenbereich, Großer Saal sowie Seetribüne.

Vom Platz abgewandt, gruppieren sich die quaderförmigen Baukörper der innovativen, großräumigen Werkstattbühne und des Seestudios, deren zurückhaltende Fassaden vom nahen Auwald gerahmt werden. Unter dem Trägerbauwerk liegen Werkräume sowie Seitenbühnen der Werkstatt- und der Hauptbühne, die miteinander verbundenen sind. Zwischen Trägerbauwerk und Foyerprisma erhebt sich der Bühnenturm, dahinter liegt der Große Saal. Beide sind eingefasst von einem niedrigeren Baukörper, der die Hinterbühne, Künstlerräume, Säle, das Restaurant sowie das Entree mit den Garderoben enthält und dessen Fassade sich geöffnet dem Platz zuwendet.

Dietrich Kruck Architekten

Über dem Ufersaum steigen als dritter Teil die Ränge der Seetribüne in vier Segmenten in die Höhe, überragt von der neuen Festspiellounge, deren breites Fensterband sich ohne blickstörende Steher hochklappen lässt. Ein weiteres Geschoss enthält die Seeregie und Festspiellounge. Unter den Rängen befinden sich umfangreiche Serviceräume für Besucher sowie der Ticketverkauf. Diese funktional logische Gliederung bietet zu jeder Seite ein anderes, sprechendes Bild: markant und Interesse weckend die Ankunftsseite; einladend urban die Platz- und Eingangsseite; zum See hin nicht nur mit den Zuschauerrampen, sondern auch als Gebäude wirksam; zum benachbarten Park hin zurückhaltend im Ausdruck, jedoch nicht abweisend, eher geheimnisvoll anregend.

Das Innere wurde komplett erneuert: der Große Saal technisch und akustisch bestmöglich ausgerüstet und mit dem nunmehr fixen Rang bietet er Platz für 1700 Besucher. Mit edlen Hölzern, zurückhaltender Farbgebung und sensibler Lichtgestaltung wird eine stimmige Atmosphäre geschaffen, die als großzügige räumliche Fassung den Hintergrund nicht nur für vielköpfige Besuchermassen bietet, sondern ebenso für festlich gekleidete Teilnehmer besonderer Anlässe.

Der Platz vor der Eingangsfassade ist halb urban, halb Lichtung am See. Mit Splitmastix gefestigt, wird er südseitig von einem Wäldchen begrenzt, in dem nach dem Konzept des Zürcher Landschaftsarchitekten Günter Vogt Auwaldbäume, zu Gruppen zusammengefasst, einen anmutigen Flanierhain bilden. Aus dieser Spannung gewinnt er Identität, die in der aufragenden Skulptur von Gottfried Bechtold kulminiert. Ein gegabelter Baumstamm, in Bronze abgeformt und kopfüber in einer flachen Senke aufgestellt, mutiert zum weiblichen Torso. Nach einem Regenguss schafft ein Teich Distanz, um alsbald wieder leer, als minimal definierter Raum das Spannungsfeld des Kunstwerks, dem man nahetreten darf, anzudeuten. Damit nicht vergessen wird, wo man sich befindet, öffnet sich der Platzraum an der Kante des letzten Tribünensegments vorbei wie durch ein Fenster auf den See.

Dietrich Kruck Architekten

Auftraggeber: Stadt Bregenz
Standort: A-6900 Bregenz
Bauzeit: 1992-2006

Auftragnehmer: Dietrich Untertrifaller Architekten
Entwurf: Helmut Dietrich, Much Untertrifaller
Team: Susanne Gaudl und Heiner Walker (Projektleitung), Thomas Weber, Bernhard Breuer

Projektbeteiligte:
Statik: Mader Flatz Schett ZT, Bregenz
Bühnentechnik: Bühnenplanung Walter Kottke Ingenieure GmbH, Bayreuth
Elektroakustik: Tonplan OEG, Dornbirn
Umgebungsgestaltung: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich

Fotos: Bruno Klomfar I Kurt Hörbst
Text: Walter Zschokke